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Die dunklen Augen einer jungen syrischen Schriftstellerin gleichen einem Fenster, das Vergangenes wieder lebendig werden lässt.

Woher kommst du?
Was suchst du hier?
Was willst du?

Willst du das wirklich wissen?

Ich komme aus einem anderen – für dich fremden – Land, das ich verlassen musste.

Ich suche Frieden.
Ich suche menschliche Wärme.
Ich suche eine Umarmung.
Ich suche eine Wirkungsstätte.
Ich suche Menschen.
Ich suche das Wort.
Ich suche dich, wenn du willst, dass ich dich finde.

Ich will leben.

Und vielleicht erfährst du dann auch die Antwort auf die Frage, die du nicht gestellt hast.

Wer bist du?

Ich bin ein Mensch. Ein Mensch wie Du.
Ich habe Eltern, habe Geschwister, habe Freunde und ich habe Feinde.
Ich habe Träume. Viele gingen in Erfüllung, andere nicht.

Ich musste gehen. Mein Vertrautes zurücklassen. In einem Gestern, dem ich entfloh.
Und heute bin ich hier und suche ein Morgen. Bitte begegne mir nicht feindselig.
Ich kann so vieles geben, wenn Du mich lässt.

Ich bin nicht gekommen, um dir etwas zu nehmen. Ich werde dir auch sehr viel geben. Und wer immer dieses Land angreift, wird auch in mir einen Gegner finden. Ich brauche Hilfe und Deine Hand, um deine Welt zu verstehen. Ich werde dir helfen, meine Welt zu verstehen.

Ich kam, weil mein Land mich verließ. Es zwang mich zu gehen. Aber in meinem Herzen liebe ich mein Land, das es – so wie ich es kannte – nicht mehr gibt. Jetzt bin ich hier. Ich weiß, dass Du Angst hast und auch Zweifel. Aber glaube mir, ich auch. Irgendwann und Irgendwie ist jeder auf der Flucht. Auf der Suche nach dem Vertrauten.

Ich reiche dir die Hand; dir neues fremdes Land, euch Menschen, euch Freunden, euch Zweiflern, euch Abgeneigten.

Lasst mich Teil dieses Landes werden. Lasst mich dieses Land lieben, wie das, aus dem ich floh und zu euch fand.

Liebe Widad Nabi,

Herzlich willkommen in Deutschland.

 

Screenshot SPIEGEL.DE Originalbeitrag

© SoulJail.com | Vassilios Tzounakis